Artikel aus FORUM 18, Dezember 2002, Seite 21 ff

Lässt sich jeder Lebenssituation bzw. Grenzsituation ein "Sinn" abgewinnen? Der Autor stellt Thesen aus der Logotherapie bzw. sinnzentrierten Psychotherapien nach Viktor Frankl bzw. nach einem Aufsatz von Dr. Wolfram K. Kurz vor und grenzt die Begriffe Selbstverwirklichung und Sinnverwirklichung voneinander ab. Ein lesenswerter Text, nicht nur im Hinblick auf Hörschädigung, der Ihnen gut die Philosophie der DHS "rüberbringt".

 

Auf der Suche nach Sinn

Otfried Schüttel, Stuttgart

Psycho-Hochburg im OV Stuttgart? Fast könnte man es meinen, wenn man an den Artikel "Unsere Hörbehinderung" (Wege zur Lebensmeisterung aus psychologischer und philoso-phischer Sicht) von Ulrich Strobel im FORUM 16 vom Dezember 2001 denkt und den Artikel eines weiteren Stuttgarter Mitglieds in diesem aktuellen Heft.

Schon lange interessiere ich mich für psychologische Themen. Dabei finde ich besonders die Logotherapie interessant (nicht zu verwechseln mit Logopädie = Sprachheilkunde). Der Mensch ist ein Wesen auf der Suche nach Sinn. Diese Erkenntnis steht im Mittelpunkt der Logotherapie, der sinnzentrierten Psychotherapie ("dritte Wiener Richtung der Psychotherapie" nach Siegmund Freud und Viktor Adler), wie sie der Wiener Neurologe und Psychiater Dr. Viktor Emil Frankl (1905 - 1997) entworfen hat und andere weiterentwickelt haben.

Ich gebe einige Thesen und Fragen wieder, die Dr. Wolfram K. Kurz, Institut für Logotherapie GmbH Tübingen/Wien, unter dem Titel "Suche nach Sinn" veröffentlicht hat:

Der Mensch hat eine Fülle von Bedürfnissen. Aber sein Grundbedürfnis ist es, ein sinnvolles Leben zu führen. Dies gelingt auch oft über weite Strecken. Aber was lange trägt, kann auch zerbrechen: Ehe, Familien, Freundschaften. Es können Behinderungen und Krankheiten auftreten, die Arbeit geht verloren, auch die Lust an der Freizeit. Dann treibt der Mensch in eine Missbefindlichkeit, die Viktor E. Frankl als existentielle Frustration beschreibt. Aus diesem Grund bleibt nur ein Weg: der Weg wirklicher Überwindung.

Existentielle Frustration ist kein Zeichen von Krankheit. Es ist ein gesundes Zeichen. Sie verweist darauf, dass das Leben nicht richtig geführt wird. Allerdings kann es auch zu einem Krankheitsbild kommen (Fachausdruck: noogene Neurose). Einige Forscher gehen davon aus, dass 30 bis 40 Prozent aller neurotischen Störungen auf dieses Krankheitsbild zurückgehen. Ein wesentlicher Grund ist der überzogene Konsum. Mode ist die Sucht nach Selbstverwirklichung. Aber die Sinnverwirklichung ist vorrangig.

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