Hörtaktik im Alltag

Der geneigte Leser wird sicher schon bemerkt haben, dass ich meine Schilderungen gerne mit einem gewissen „Augenzwinkern“ versehe und manchmal auch minimal übertreibe. Trotzdem dürften die dargestellten Alltagssituationen etlichen schwer hörenden Menschen so oder so ähnlich hinreichend bekannt vorkommen.

Obwohl ich die Mitmenschen in meinem Umfeld bereits mehrfach und ausführlich über meine Hörschwäche informiert habe, muss ich etliche immer wieder daran erinnern: „Schau mich beim Reden bitte an, sprich nicht lauter sondern deutlicher, jetzt schlucke erst mal die Kartoffel herunter und sag das Ganze noch mal zum Mithören...“. Meistens reagieren meine Freunde spontan und die Aussage wird mit einer Entschuldigung nochmals „schlappohrgerecht“ wiederholt. Diese übersichtlichen „Zweipersonensituationen“ sind also im Allgemeinen recht einfach zu kontrollieren.

Problematischer wird es allerdings bei mehreren Schallquellen. Das können beispielsweise zahlreiche gleichzeitig verlaufende Gespräche in größeren Gruppen sein, zudem angereichert mit störenden Hintergrundgeräuschen. Ein Beispiel aus dem „richtigen“ Leben:

Mehrere Ehepaare sitzen an einem Tisch, anfangs beim Essen redet immer nur eine Person und die anderen hören diszipliniert zu.

Zu fortgeschrittener Stunde ändert sich die Kommunikation jedoch merklich: Die Frauen tauschen ihre neuesten Informationen über das englische Königshaus aus, während die Männer eher wichtige dienstliche Probleme lösen.

Wenn dann noch die zufällige Sitzordnung ein völliges Durcheinander ergeben hat, dann sitze ich als Schwerhörender inmitten einer Geräuschkulisse, die ich auch bei größter Konzentration und trotz vieler nerviger Nachfragen nicht mehr beherrschen kann.

Wenn zudem vom Gastgeber sicherlich gut gemeint noch Oldies der Beatles und Rolling Stones aus unserer „Sturm- und Drangzeit“ als Hintergrundmusik laufen, dann ist für mich jeglicher Versuch der Teilnahme an den Gesprächen aussichtslos.

Verständnis vortäuschen? Lachen, wenn andere auch lachen, obwohl ich die Pointe des Witzes gar nicht verstanden habe? Freundlich Kopfnicken, auch wenn ich gar nicht weiß, worum es eigentlich geht? Einfach aufstehen und nach hause gehen? Eigentlich habe ich alles irgendwie schon einmal erlebt und probiert. Lösungen sind diese Verhaltensweisen allerdings keineswegs. Schließlich sitzt man mit guten Freunden zusammen und möchte die nette Gesellschaft auch künftig nicht missen.

Bewährte Strategie

Für mich persönlich hat sich aus der Erfahrung heraus folgende Strategie recht gut bewährt:

  • Zunächst bitte ich, die Hintergrundmusik, auch wenn sie noch so gut ist, auszustellen. Das ist bereits ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Akustik.
  • Meistens gelingt es mir auch im Verlaufe des Abends, die Gesprächsteilnehmer nach der Thematik am Tisch zu gruppieren. Das muss ja nicht in einer ungemütlichen, umfangreichen Umzugsaktion geschehen, sondern kann „sanft“ erfolgen, wenn einzelne den Raum verlassen und danach einen anderen Platz einnehmen. „Komm Karl, setz dich zu uns Männern, oder bist du mehr an der Garderobe der Queen interessiert?“
  • Gerne wird auch der Vorschlag aufgegriffen, mit den Männern die wichtigen politischen Themen in den Wintergarten zu verlagern oder im Keller am Billardtisch zu diskutieren.
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