Bericht zum Seminar in Bad Nauheim im August 2012

„Hör- und Kommunikationstaktik für Schwerhörige“

von L. S.

In den letzten Jahren hatte ich Seminarausschreibungen im Tinnitus-Forum wohl einfach übersehen oder drüber weggeblättert, obwohl ich seit ca. 17 Jahren einen chronischen Tinnitus auf beiden Ohren habe und seit knapp fünf Jahren wegen einer Schwerhörigkeit Hörgeräte trage.

Nachdem ich im vergangenen Jahr nach einer längeren Familienphase wieder in meinen Beruf zurückgekehrte, merkte ich zunehmend, dass eine Hörminderung in vielen Situationen eine ziemliche Beeinträchtigung darstellt.

Situationen, die ich in meinem privaten Umfeld irgendwie hingekriegt habe - oder auch einfach gemieden habe - stellen sich nun eher als Problem dar. Deshalb fiel mir nun die Seminarausschreibung wohl auch gleich auf und nach zwei kurzen Kontakten mit der Tinnitus-Liga meldete ich mich zum Seminar an. Etwas unsicher, was mich bei erwarten würde, machte ich mich auf den Weg nach Bad Nauheim, aber es gab ja eigentlich nichts zu verlieren, sondern eher zu gewinnen.

Zur Hörbehinderung stehen

In der Kaiserberg-Klinik wurden wir von unserer Seminarleiterin Erika Classen begrüßt. Sie war es, die uns durch drei interessante Tage begleitete, viele Infos und Tipps geben konnte und in ihrer unkomplizierten und humorvollen Art unsere Gruppe betreute.

Am ersten Abend berichtete Chefarzt Roland Zeh über die Arbeit der Kaiserberg-Klinik, aber auch von seinen eigenen Erfahrungen mit seiner Hörbehinderung. Er machte uns Mut, zu unserer Hörbehinderung zu stehen. Denn nur, was wir selbst akzeptieren, können wir auch bewältigen, sonst arbeiten wir gegen uns selbst. Eine „Versteck-Taktik“ führt dauerhaft zu Anspannung und Überforderung.

Am Freitagmorgen starteten wir dann mit unserem Seminarthema „Kommunikation“. Bei aller Verschiedenheit der TeilnehmerInnen gab es in vielen Situationen einfach ein Grundverständnis, da jede/r von uns mit bestimmten Problemen zu kämpfen hat. Ein offener Austausch war - sicher auch weil wir eine kleine Gruppe waren – gut möglich.

Eine Teilnehmerin berichtete, dass sie erst sehr spät merkte, dass sie schlecht hört, sich aber schon länger gewundert hatte, warum sie nach der Arbeit immer so müde war. Erst im Nachhinein wurde ihr bewusst, welche enorme Anstrengung es für sie bedeutete, zu versuchen am Arbeitsplatz und in Besprechungen alles verstehen zu können.

Bis zu einem gewissen Grad können wir das nicht „Gehörte“ durch Wahrnehmen von Mimik, Gestik, Tonfall, Sprachklang, vom Mund absehen oder aufgrund von vorhandenen Informationen und Fachkenntnissen kompensieren, dies erfordert aber immer eine erhöhte Aufmerksamkeit! Da unsere Gesprächspartner in vielen Fällen nicht von unserer Schwerhörigkeit wissen, ist es notwendig, sie darüber zu informieren.

Schwerhörigkeit bedeutet nicht unbedingt, dass ich alles nur leiser höre und die anderen eben nur etwas lauter reden müssen.

Ich muss den „Guthörenden“ Informationen geben, was ich für eine gelingende Kommunikation brauche wie z.B.

  • Blickkontakt,
  • langsameres und deutlicheres Sprechen,
  • Vermeidung störender Nebengeräusche,
  • Sitzordnung.

Dies setzt aber voraus, dass ich selbst weiß, was ich brauche und was mir gut tut und auch dafür einstehe!

Neue Verhaltensmuster brauchen ihre Zeit

Während ich hier sitze und diesen Bericht schreibe, denke ich an eine Sitzung in der vergangenen Woche zurück, in der ich große Mühe hatte, einen der Gesprächsteilnehmer zu verstehen und ich mich im Nachhinein geärgert habe , dass ich ihn nicht auf meine Schwerhörigkeit hingewiesen habe. Nach wie vor gibt es für mich Situationen, in denen mir das schwer fällt – beispielsweise geschäftlich in einer großen Runde oder Menschen gegenüber, die scheinbar alles im Griff haben. Da braucht es immer noch Überwindung!

Neue Verhaltensmuster einzuüben, braucht eben Zeit, und wenn es beim ersten oder zweiten Mall nicht klappt, klappt es vielleicht beim dritten oder vierten Mal. Aber ich bin auf dem Weg und es gibt auch die Mut machenden Momente, z.B. als ein Mann, nachdem er von meinem Tinnitus und meiner Schwerhörigkeit gehört hatte, sagte:

„Aber Sie haben Ihren Humor nicht verloren!“

Genau das wünsche ich mir und allen Betroffenen, dass wir bei allem Schwierigen den Blick für das Schöne im Leben bewahren können und über das eine oder andere, was schief läuft, auch mal lachen können.

Eine Hörbehinderung ist keine Krankheit, die irgendwann wieder ausheilt, sondern eine Einschränkung, mit der wir leben müssen. Dies ist mitunter eine schmerzliche Einsicht.

Es liegt jedoch an uns, ob wir Unterstützung oder Hilfsmöglichkeiten nutzen, um unseren Alltag und Kontakte zu anderen zu erleichtern. Hier konnte uns neben Erika Claasen auch Audiotherapeutin Anke Bürger aus der Kaiserberg-Klinik noch einige Anregungen mit auf den Weg geben.

Am Ende des Seminars waren wir uns einig, dass jede/r von uns neue Einsichten und Anregungen mit nach Hause nehmen kann. Außerdem war Bad Nauheim ein schöner Tagungsgort - neben einem umfangreichen Tagungsprogramm haben wir auch die Gelegenheit genutzt, das Städtchen Bad Nauheim kennen zu lernen.

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